24.01.2024, 14:02 Uhr

Die Haushaltsrede der CDU-Gemeinderatsfraktion
Von unserem Fraktionssprecher Dr. Andreas Gammel

Wir veröffentlichen hier die Haushaltsrede unserer Gemeinderatsfraktion, gehalten von Dr. Andreas Gammel. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mössingen,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Bulander,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat!


Vermutlich erleben wir heute ein Novum in der neueren Stadtgeschichte: nämlich, dass der Haushalt der Stadt noch vor dem Bundeshaushalt beschlossen wird. Das liegt aber natürlich nicht daran, dass wir Mössinger sensationell schnell gearbeitet hätten, sondern am Zustand der Bundesregierung. Erlauben Sie mir deshalb ein allgemeines Vorwort, bevor ich konkreter werde.


Bundesaußenministerin Baerbock hat im vergangenen Jahr über die Situation
Deutschlands einmal gesagt, wir seien unvermittelt in einer neuen Welt aufgewacht. Aber
das ist falsch: die Welt war schon immer so, nur wurden wir brutal aus unseren Träumen
gerissen, weil wir uns viele Jahre lang im Bezug auf entscheidende Grundannahmen
Illusionen gemacht hatten.


Wir waren der festen Überzeugung, der gegenseitige Nutzen enger Handelsbeziehungen
wäre eine Versicherung gegen kriegerische Auseinandersetzungen. Deshalb sei mit
genügend Kompromissbereitschaft ein Ausgleich selbst mit denen möglich, die völlig
konträre Interessen hätten.


Wir hatten uns einreden lassen, dass der Energiehunger der weltweit viertgrößten
Volkswirtschaft sich alleine durch Windkraft und Photovoltaik decken ließe, dass Sonne
und Wind billige Energie liefern würden und dass die Transformation dorthin kaum
spürbar über Schulden finanzierbar wäre. Elektromobilität sollte für alle erschwinglich sein
und der ÖPNV überall dicht genug für die kurzfristige Lösung aller Mobilitätsfragen. Wir
wollten sogar glauben, so könnten wir quasi im Alleingang das Weltklima stabilisieren.
Eine weitere Illusion war, dass Migration ausschließlich aus Not geschehen würde und
dass Deutschland fähig wäre, die Bedingungen in den Heimatländern der Flüchtlinge so
zu verändern, dass der Migrationsdruck nachlassen würde. Die Aufnahmebereitschaft der
Wohn-, Versorgungs-, Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur wie auch die der
einheimischen Bevölkerung haben wir trotz vielerlei Warnsignale überschätzt, und wir
nahmen einfach an, wer hierher käme, würde selbstverständlich unser Wertesystem
übernehmen, bis hin zur Kehrwoche und natürlich inclusive einer israelfreundlichen
Grundhaltung.


Dass viele dieser Träume und Hoffnungen geplatzt sind, liegt nicht daran, dass diese
Illusionen der Bevölkerung nur nicht ausreichend erklärt wurden. Nein, die Realität zumal
außerhalb der Metropolen ist einfach anders als viele Behauptungen und Versprechungen, und die Politik tut sich schwer damit, das einzusehen. Das ist, was
inzwischen mit den Bauern große Teile der Bevölkerung auf die Straße treibt, nicht nur im
fernen Berlin, sondern auch im Ländle und sogar hier in unserer Stadt. Umso ermutigender ist es da, dass auch zehntausende für den Erhalt unserer Freiheiten
und gegen die Vereinnahmung der Proteste durch die extreme Rechte auf die Straßen
gehen!


Niemand kann also behaupten, wir lebten nicht in spannenden Zeiten. Scheinbar alles ist
in Veränderung, und eine Verbesserung der Zustände ist nirgendwo in Sicht. Der Krieg in
der Ukraine, der auch uns inzwischen einiges abverlangt, geht nun schon ins dritte Jahr.
Zusätzlich aber ist der Kampf der Hamas gegen Israel hinzugekommen, und täglich
könnten in anderen Gegenden der Welt weitere Konflikte eskalieren: im Libanon, im
Jemen, vielleicht sogar in Taiwan, mit potentiell verheerenden Konsequenzen. Als Folge
von Energiepreisanstieg, Fachkräftemangel, Zinsanstieg und Nachfragetief schwächelt
unsere Wirtschaft nachhaltig. Überlastete Infrastruktur, problematische Lieferketten und
selbstgemachte Probleme wie hohe Energiepreise, der Digitalisierungsrückstand und
gesetzgeberische Schnellschüsse machen jeden Lösungsansatz zum Tanz auf dem
Hochseil. Demographische Entwicklung und Bildungsmisere bewirken, dass
verlorengegangene Kapazitäten nicht mehr einfach ersetzt werden können.


All das verknappt, und damit komme ich zu unserem Haushalt, die uns in der Kommunalpolitik zur Verfügung stehenden Mittel erheblich. Allerdings ist bisher nicht die
Einnahmenseite das Problem unserer Gemeindefinanzen. Wir planen mit Gesamteinnahmen von voraussichtlich 65 Mio €. Das wäre der zweithöchste Wert nach
dem Rekordjahr 2018 und läge um 2 Millionen € über 2023 und um 4 Millionen € über
2022.


Dass die in Aussicht stehende Einnahmensteigerung dennoch nicht ausreicht, um neben
den notwendigen auch noch einige erwünschte Ausgaben zu bezahlen, ist der wahre
Grund dafür, dass auch in Mössingen rote Zahlen geschrieben werden dürften. Der
diesjährige Haushalt wird nur mit einer spürbar steigenden Verschuldung über die Runden
kommen. Das bestätigt einen Satz aus meiner allerersten Haushaltsrede in 2006: „Arm ist
nicht, wer wenig hat, sondern wer viel braucht!“.


Und wir brauchen immer mehr. Zunehmende Anforderungen durch den von oben
gewollten Ausbau verschiedener kommunaler Dienste machen mehr Personaleinsatz
notwendig. Aber Personal in Verwaltung und Kinderbetreuung wird in atemberaubenden
Tempo teurer. Zudem steigen die Energiekosten, Verbrauchsmaterial wird teurer, und
Kosten für die Menschen, die direkt oder über die Kreisumlage von uns versorgt werden
müssen, nehmen schneller zu, als es die steigenden Einnahmen der Stadt erlauben.
Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, es könnten aus der Mitte des Gemeinderates
keine kommunalpolitischen Akzente gesetzt werden, wie es einge Fraktionen getan
haben, ist voreilig. Natürlich darf der Gemeinderat genau wie die Stadtverwaltung
Vorstellungen entwickeln und auch Wünsche haben, selbst wenn das Geld kostet.
Die CDU-Fraktion hat sich dieses Jahr Gedanken gemacht, wie wir Mössingen, das ja erst
kürzlich im Ranking der familienfreundlichsten Kommunen einen sehr guten Platz belegt
hatte, noch etwas attraktiver für junge Familien machen könnten. Ein erster Aspekt, den
wir als Kommunalpolitiker unmittelbar entscheiden können, ist die finanzielle
Kompensation für ein vorübergehendes, aber sehr konkretes Problem. Zu überschaubaren Kosten können wir so ein Signal an junge Familien senden, dass die
Stadtgesellschaft eingesehen hat, dass Kinder, wie ein afrikanisches Sprichwort sagt, eine
Aufgabe für das ganze Dorf sind. Und würden wir den vollen Umfang unseres
Finanzierungsvorschlages ausnutzen, dann hätten wir abzüglich der Kosten für unsere
anderen Anträge dieses Programm schon für 13 Jahre gegenfinanziert.


Aber in Zukunft wollen wir Gemeinderäte solche Dinge nicht mehr, wie häufig, nach
Gefühl entscheiden. Wir wollen herausfinden, welchen Stellenwert die Stadtgesellschaft
dieser Familienfreundlichkeit wirklich zuschreibt, konkret also, wieviel uns das kosten
darf. Da es eine solche Diskussion als strukturierten Prozess bisher noch nirgendwo
gegeben hat, sollte in einem Vorlauf, den wir jetzt konkret beantragen, überlegt werden,
wie ein solcher Prozess aussehen könnte, wer an der Diskussion beteiligt sein sollte, und
wie genau die Fragestellungen sein sollten, damit wir wirklich die Einstellung der
Bevölkerung ergründen und nicht nur die engagierten Wortmeldungen spezifisch
Betroffener hören.


Weiter müssen wir an der Digitalisierung aller geeigneten Vorgänge arbeiten, selbst, wenn
es nicht unmittelbar Kosten spart. Wir müssen rasch dazu kommen, die
Verwaltungsvorgänge mit weniger Personal leisten zu können, weil wir bald schon das
nötige Personal schlicht nicht mehr bekommen werden. Das ist das Mantra meiner
Fraktion seit Jahren. Die Cyberattacke, die die Elektronik der Stadtverwaltung über
Wochen lahmgelegt hatte, ist kein Argument gegen die Digitalisierung, sondern lediglich
ein Ansporn, es noch sicherer zu machen. Übrigens möchten wir, das ist in diesem
Zusammenhang überfällig, den Menschen hier im Rathaus unsere Anerkennung
auszusprechen dafür, wie sie mit diesem Angriff fertig geworden sind.
Die Welt ist in Bewegung, deshalb müssen auch wir uns bewegen, damit wir nicht unter
die Räder kommen. Dabei gibt es viele Dinge, die nicht in Mössinger Gemeinderat
entschieden werden. Aber was in unsere Kompetenz fällt, müssen wir anpacken. Das
erwarten unsere Mitbürger zurecht von ihrem Gemeinderat.


Unser herzlicher Dank geht an all diejenigen, die im vergangenen Jahr für unsere Stadt ihr Bestes gegeben haben, worunter als eine wesentliche Voraussetzung die Erstellung
dieses Haushaltes gehört. Persönlich danke ich Ihnen für Ihre Geduld, mir zuzuhören,
auch all die Jahre zuvor. Und Sie, die Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, bitte
ich um ihre Zustimmung für unsere Anträge.

Dr. Andreas Gammel
CDU-Gemeinderatsfraktion


Interessante Themen für Sie:

GEMEINDERAT