Am 18.11.2019 wurde im Gemeinderat darüber beraten, wie in der Stadt Flächen für die Ansiedelung von Gewerbebetrieben bereitgestellt werden können. Ein Planungsbüro hat, ausgehend von einer Bedarfsanalyse, Flächen identifiziert, die für Industrieansiedlungen infrage kommen könnten.
Ausgangspunkt waren Überlegungen, dass Mössingen für Gewerbebetriebe zunehmend attraktiver wird. Einerseits, weil Ansiedelungen in benachbarten Kommunen wegen steigender Preise und Flächenknappheit schwieriger werden, andererseits, weil Mössinger Bauland noch relativ preisgünstig zur Verfügung steht und Mössingen als aufstrebende Gemeinde gesehen wird,
in der reale Standortvorteile und weiche Faktoren wie die Schul- & Bäderinfrastruktur und eine funktionierende Zivilgesellschaft zusammen kommen.
Aber nicht nur fremde Unternehmer, die einen Betrieb in Mössingen aufbauen wollen, oder Mössinger Betriebe, die expandieren wollen, haben ein Interesse an Gewerbegebieten. Gerade vor dem Hintergrund einer eintrübenden Konjunktur muss allen, deren Ziel eine handlungsfähige,
finanziell ausreichend ausgestattete Kommune ist, klar sein, dass das Wohlergehen der Stadt und ihrer Bürger ein gutes Stück weit auch vom Verkauf städtischer Flächen und von den Steuerzahlungen der hiesigen Gewerbetreibenden abhängt.
Genau wie vor Kurzem bei der Überlegung, wo im Stadtgebiet Grundstücke für neu zu bauenden Wohnraum gefunden werden können, zwangsläufig die zahlreichen im Stadtgebiet liegenden, voll erschlossenen unbebauten privaten Baugrundstücke in den Focus gerückt sind, so sehen wir auch in den Gewerbegebieten brach liegende Flächen, die morgen bebaut werden könnten. Diese Grundstücke, die teils von den Eigentümern in der Hoffnung auf weitere Wertsteigerung zurückgehalten werden, teils von Firmen für eine Erweiterung vorsorglich gekauft wurden, die bisher nicht kam und vielleicht nie kommen wird, wären eine gute Alternative zur Ausweisung neuer Gewerbegebiete am Stadtrand. Deshalb kam in der Diskussion auch hier reflexartig die Idee eines Baugebotes zur Sprache.
Doch egal, ob es sich um private Wohnbaugrundstücke oder um Gewerbeflächen handelt: wer suggeriert, eine rasche Vermarktung und Bebauung durch Zwang erreichen zu können, irrt: ein Zugriff auf Eigentum, egal wie nachvollziehbar die Gründe aus Sicht der Gesellschaft sind, ist ein
Eingriff in ein Grundrecht, und deshalb sind hierfür - unserer Meinung nach zurecht - hohe juristische Hürden zu überwinden. Wollten wir Baugebote durchsetzen, so würden wir damit zuerst jahrelange Streitigkeiten vor überlasteten Gerichten auslösen. Unabhängig davon, ob die Stadt nach dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ am Ende recht bekommen würde oder nicht - eine rasche Lösung für den aktuellen Mangel an Wohnbau- und Gewerbeflächen kann bei realistischer Betrachtung so nicht erreicht werden.
Es ist also nicht Bequemlichkeit, sondern Pragmatismus, wenn die Stadtverwaltung bei den innerstädtischen Brachflächen eher auf geduldiges Überzeugen statt auf Konfrontation setzt und parallel dazu die Entwicklung von Wohnbau- und Gewerbeflächen an den Rändern der Siedlungsgebiete vorbereitet. Und alle, die sich um Flächenverbrauch und den Lebensraum
seltener Tierarten sorgen, dürfen darauf vertrauen, dass auch Naturschutz und intakte Landschaften in unserer Gesellschaft hohe Rechtsgüter sind und Eingriffe nur genehmigt werden, wenn die natur-, artenschutz- und wasserrechtlichen Einwände beachtet und gegebenenfalls entstehende Schäden anderswo ausgeglichen werden.
Wer jetzt einwendet, dass Gesetze, die privates Eigentum vielleicht besser schützen als wertvolle intakte Biotope, falsch sind in einer Zeit, in der die Natur durch die Aktivitäten der Menschen immer weiter unter Druck gerät, dem steht es in einer demokratisch verfassten Gesellschaft jederzeit frei, Mehrheiten für eine Änderung der entsprechenden Gesetze zu organisieren.
Allerdings liegt die Kompetenz, die Regeln zu ändern, nicht beim Mössinger Gemeinderat. Diesem bleibt nur, bestehendes Recht möglichst zielführend anzuwenden und dabei stets ein waches Gespür für Bedrohungen des innerstädtischen Friedens zu haben.